
Im nebenstehenden Sammelwerk des Weka-Verlags habe ich einen Beitrag mit dem Titel
Überwachung der Luftqualität in Innenräumen über CO₂, eTVOC, eCO₂und iAQ
veröffentlich, den ich an dieser Stelle mit weiteren, in der Zwischenzeit vorgenommenen Messungen ergänzen möchte .
Der Begriff Luftqualität ist leider wenig scharf umrissen ist. Schadstoffe, wie Feinstaub, Asbest,
Formaldehyd, PCB, Radon, Reinigungsmittel, Schimmel, Staub, Tabakrauch und VOC (volatile organic compounds) beeinträchtigen neben CO₂ die Luftqualität in Innenräumen.
Leider lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen über die optimale Luftqualität in Innenräumen
treffen. Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Schadstoffbelastungen. Das Setzen von Grenzwerten ist deshalb auch sehr schwierig [Lungenliga Schweiz – Innenluftqualität https://www.lungenliga.ch/de/die-lungen-schuetzen/luftgesundheit/innenluftqualitaet.html].
Will man die Luftqualität umfassend bewerten, dann ist eine umfassende Sensorik vorzusehen. Beim air-Q-Luftanalysator werden beispielsweise mit Hilfe von elf Sensoren Messwerte für Kohlendioxid (CO₂), Feinstaub (PM1, PM2.5, PM10), Stickoxid (NO₂), Kohlenmonoxid (CO), Lärm, Temperatur, Feuchtigkeit und Luftdruck erfasst und können am Smartphone nachverfolgt werden. Auf der Website zum air-Q-Luftanalysator finden Sie einen Überblick über die oft komplexe Definition der Grenzwerte von Luftschadstoffen wie Feinstaub, Stickstoffdioxid, VOC oder Ozon, die vom Umweltbundesamt oder der WHO vorgegeben werden.
Hier will ich nur auf die von den o.a. Sensoren erfassten Messwerte von CO₂ und VOC eingehen, da diese in der aktuellen Situation von COVID-19 das beherrschende Thema darstellen.
Der Anteil des Kohlendioxids in der Atemluft beträgt heute ca. 415 ppm (entspricht 0,04 % der Luft). Die ausgeatmete Luft eines Menschen weist einen CO₂-Gehalt von ca. 40.000 ppm auf. Entsprechend können in ungelüfteten Schlafzimmern, voll besetzten Klassen- oder Meetingräumen schnell Konzentrationen von bis zu 5.000 ppm gemessen werden. Diese hohen CO₂-Konzentrationen sind schädlich für Konzentration, Leistungsfähigkeit und die Gesundheit im Allgemeinen.
NDIR-Sensoren (nicht-dispersive Infrarotsensoren) nutzen die konzentrationsabhängige Absorption elektromagnetischer Strahlung im Infrarot-Bereich. Bei einer Wellenlänge von 4.3 um liegt eine maximale Absorption von CO₂, ohne große Beeinflussung durch andere Gase. Die CO₂-Konzentration kann deshalb sehr selektiv gemessen werden.
Das Umweltbundesamt (UBA) empfiehlt daher bereits bei der Überschreitung eines Wertes von 1.000 ppm CO₂, frische Luft von draußen in den Raum zu lassen. Die sogenannte Maximale Arbeitsplatz-Konzentration (MAK) wird mit 9100 mg/m³ (entspricht knapp 5.000 ppm) angegeben. Die heute nicht mehr gültige DIN-1946-2 sah einen Grenzwert von 1.500 ppm vor.
Bezeichnung | Grenzwerte Kohlendioxid |
Empfehlung Umweltbundesamt | 1.000 ppm |
DIN-1946-2 Grenzwert für gute Luftqualität | 1.500 ppm |
MAK-Wert | 5.000 ppm |
Der für die Erkrankung an COVID-19 verantwortliche Virus SARS-CoV-2 wird vorrangig und mit hoher Ansteckungsrate über luftgetragene Tröpfchen (Aerosole) aus den Atemwegen Infizierter auf weitere Personen übertragen.
Im Freien bei Beachtung eines hinreichenden Abstands von Personen ist das Infektionsrisiko eher gering. Anders sieht das in Innenräumen aus, die durch mehrere Personen belegt sind. Wie sich Aerosole in Räumen verteilen und was das für das Infektionsrisiko bedeutet kann kann hier nachgelesen werden. Eine Überwachung der CO₂-Konzentration ist aus diesem Grund aktuell sehr wichtig.
Flüchtige organische Verbindungen (Volatile Organic Compounds, VOC) sind organische, kohlenstoffhaltige Verbindungen, die schon bei niedrigen Temperaturen verdampfen. In vielen Fällen sind VOCs für Lebewesen weitgehend harmlos. Jedoch gehören auch gesundheitlich kritische Stoffe wie Formaldehyd in diese Stoffgruppe.
Bei den sogenannten MOX-Sensoren sorgt das vorbeiströmende Gas für eine Widerstandsänderung einer gassensitive Metalloxidschicht (MOX). Die Widerstandsänderung ist damit ein Maß für die
Konzentration von flüchtigen organischen Komponenten (VOC), die in ihrer Gesamtheit erfasst
werden und nicht auf eine bestimmte Substanz aufgelöst werden können. Mit den breitbandig VOC-messenden MOX-Sensoren stehen damit Sensoren zur Verfügung, die ein ganzes Spektrum von Stoffen detektieren, die in bestimmten Konzentrationen gesundheitsgefährdend sind.
Contamination Source | Emission Source | Indoor Air Contaminants |
Breath | Acetone, Ethanol, Isopromene | |
Human Being | Flatulence | Methane, Hydrogene |
Cosmetics | Limonene, Eucalyptol, Alcohols |
Aus dem Summensignal aller im Mischgas enthaltenen Substanzen wird über einen Algorithmus
aus TVOC-equivalent (eTVOC, equivalent total volatile compound) ein Luftgütewert
in CO₂-equivalent (eCO₂) ermittelt. Der MOX-Sensor setzt mit Hilfe eines integrierten
Mikrocontrollers die eTVOC-Werte direkt mit einem errechneten CO₂-Gehalt (eCO₂) der Raumluft in Beziehung.
Messverläufe, wie im folgenden Bild gezeigt, sind deshalb absolut vorstellbar. Luftverunreinigungen werden von MOX-Sensoren erfasst und müssen nicht zwangsläufig für den selektiv messenden CO₂-Sensor sichtbar sein.

(Quelle: https://sensortec.jethro.cubetech.dev/wp-content//uploads/documents/de/[6]Allgemeine%20Infos[grey]/Unterschiede%20VOC%20und%20CO2%20Messung.pdf)
Eine gesetzliche Bestimmung von Grenzwerten für VOC gibt es in Deutschland bisher nur für spezielle Arbeitsplätze. Aus hygienischen Gründen hat das UBA allerdings mittlerweile Empfehlungen für das Vorkommen von VOCs ausgesprochen. Die Leitwerte umfassen die Stufen von hygienisch unbedenklich (unter 1 mg/m³ – unter 150 bis 400 ppb) über hygienisch auffällig (zwischen 1 bis 3 mg/m³ – 150 bis 1300 ppb) bis hin zu hygienisch inakzeptabel (über 10 mg/m³ – über 1500 bis 4000 ppb). Zusätzlich wurden für einzelne Gase der VOC-Gruppe Richtwerte festgelegt.
Bezeichnung | Leitwerte VOC |
Umweltbundesamt – hygienisch unbedenklich | unter 150 bis 400 ppb |
Umweltbundesamt – hygienisch auffällig | 150 bis 1300 ppb |
Umweltbundesamt – hygienisch inakzeptabel | über 1500 bis 4000 ppb |
Mit der folgenden Messanordnung, die durch Verwendung des I2C-Hubs erweiterbar ist, zeichne ich Daten von verschiedenen Sensoren auf, um deren Verhalten gegenüberzustellen.


Der erste Test zeigt einen NDIR-Sensor SCD30 im Vergleich zu einem MOX-Sensor SGP30 beide von Sensirion.


Nach einem Abgleich an der frischen Luft aussen, wurde die Messanordnung im Wohnbereich platziert und beim Erreichen von CO₂-Werten von ca. 1300 ppm jeweils gelüftet. Bleibt die Beeinflussung der Luftqualität auf Atmung und menschliche Ausdünstung beschränkt, dann zeigen die Messverläufe beider Sensorvarianten mit Ausnahme der absoluten Zahlen vergleichbares Verhalten.

Der zweite Messverlauf zeigt bei der langsam zunehmenden Belastung der Luft gleiches Verhalten. Am Ende der Messung habe ich ein Gasfeuerzeug benutzt, dessen Ausstoss durch den MOX-Sensor auch sofort detektiert wurde. Die CO₂-Konzentration hingegen wird dadurch nicht beeinflusst.

Von der schwedischen Fa. Senseair wird mit dem Sensor K30 ein weiterer nach dem NDIR-Verfahren arbeitender CO₂-Sensor angeboten.

Ich habe meine Messanordnung mit dem Sensor K30 erweitert und vergleiche die Messwerte mit denen der SensorenSGP30 und SCD30 von Sensirion.


Die beiden NDIR-Sensoren zeigen im interessierenden Messbereich praktisch identische Ergebnisse und sind deshalb als CO₂-Sensoren absolut geeignet, was gerade durch die zweite Abbildung deutlich zum Ausdruck kommt. Die Trendlinie folgt der Beziehung CO₂(K30) = 3.56 * CO₂(SCD30)^0.798 bei einem Korrelationskoeffizienten R2 = 0.883 (Bravais-Pearson-Korrelation).
Der Test erfolgt in einem MINERGIE-Haus mit Komfortbelüftung ohne zusätzliche Lüftungsmassnahmen in einem Raum mit 39 m2 und bei der nicht durchgängigen Belegung mit zwei Personen.
Interessant ist nun, unter ansonsten gleichen Bedingungen, den Verlauf der CO₂-Konzentration ohne Komfortlüftung aufzuzeichnen. Unabhängig von der Höhe der CO₂-Konzentration ist das Verhalten der Sensoren wieder vergleichbar. Unklar ist der erste Peak beim Sensor K30. Der MOX-Sensor hat Aktivitäten in der (offenen) Küche registriert, die aber nur geringen Einfluss auf die CO₂-Konzentration zeigen. Der spätere Anstieg der CO₂-Konzentration ist auf die Anwesenheit von zwei Personen zurückzuführen. Am Ende des dargestellten Verlaufs wurde die Komfortlüftung wieder eingeschaltet und hat dann die erhöhte CO₂-Konzentration erwartungsgemäss abgebaut.


Die nicht geklärte Abweichung der CO₂-Konzentrationen um die Mittagszeit macht sich in der Regression bemerkbar. Trendlinie und Korrelationskoeffizient zeigen das.
Der Sensirion SCD4x-Sensor ist ein Miniatur-CO₂-Sensor der neuesten Generation, aufbauend auf dem photoakustischen Messprinzip. Auf der Website von Sensirion finden Sie Informationen zum Messprinzip und der PASens® Technologie von Sensirion.
Der Sensor wurde mir dankenswerter Weise von Sensirion zum Test zur Verfügung gestellt. Der kleine Formfaktor ermöglich eine platzsparende Integration des Sensors, wie auch das Sensirion SCD41 Sensor Development Board zeigt.

Beim nächsten Versuche habe ich den K30-Sensor durch den SCD41 ersetzt und unter sonst vergleichbaren Bedingungen gemessen. Dadurch, dass neben den menschlichen Ausdünstungen keine zusätzlichen Substanzen vorhanden waren, folgen auch die Messwerte des MOX-Sensors SGP30 den beiden CO₂-Sensoren SCD30 (NDIR) und SCD41 (PASense).
Wie die folgenden Abbildungen zeigen, liefern beide CO₂-Sensoren im interessierenden Messbereich vergleichbare Ergebnisse. Die Trendlinie folgt der Beziehung CO₂(SCD41) = 2.88 * CO₂(SCD30)^0.854 bei einem Korrelationskoeffizienten R2 = 0.934 (Bravais-Pearson-Korrelation).


Der Bosch Sensortec BME680 ist einer der neuesten Umgebungssensoren, für Luftfeuchtigkeit, barometrischem Druck, Temperatur und Luftgüte, der mit I2C- und SPI-Schnittstelle ausgerüstet ist. Dieser MOX-Sensor gibt die Luftqualität als Widerstandswert zurück, der proportional zur TVOC-Konzentration ist. Mit Hilfe der proprietären BSEC-Software (Bosch Sensortec Environmental Cluster) ist es möglich, aus den BME680-Messwerten die gewünschten Ausgangsgrößen, wie den Indoor Air Quality Index iAQ zu berechnen.
Die BSEC-Software unterstützt zahlreiche Plattformen von 8 Bit bis zu 32 Bit. Informationen hierzu sind auf der Bosch-Website zu finden. Für Controller, die von der BSEC-Software nicht unterstützt werden, gibt es eine Library von David Bird, die den iAQ näherungsweise bestimmt.
Von Watterott wird das folgende Board angeboten, welches ich auch hier für die Tests verwendet habe. Andere Anbieter führen vergleichbare Boards, die funktional praktisch identisch sind.

Der folgende Screenshot zeigt die vom Sensor ermittelten Messwerte, die alles umfassen, was für die Bewertung der Umgebung in Innenräumen erforderlich ist

In einem Test habe ich BME680 (MOX) von Bosch und SGP30 (MOX) und SCD30 (NDIR) von Sensirion miteinander betrieben. Die folgenden Diagramme zeigen die Messwerte der Sensoren im Vergleich.
Die beim BME680 berechneten Werte für den Air Quality Index iAQ und den equivalenten CO₂-Wert (eCO2) sind proportional und damit alternativ verwendbar.

Im Vergleich der eCO2-Werte von BME680 und SGP30 wird die etwas höhere Empfindlichkeit des SGP30 deutlich. Grundsätzlich zeigen aber beide MOX-Sensoren vergleichbares Verhalten.

Beim Vergleich echter CO₂-Messung mit der breitbandigeren Messung von MOX-Sensoren bei ausschliesslich menschlicher Belastung der Umgebungsluft wird das selektive Verhalten des NDIR-Sensors deutlich.

Das breitbandige Verhalten des MOX-Sensors verdeutliche ich beim folgenden Versuch mit einem kurzen Stoss Raumspray in einem gelüfteten Raum. Der Messwert des selektiv messenden NDIR-Sensors zeigt praktisch keine Veränderung, während die Signale der MOX-Sensoren deutliche Reaktion zeigen.


Fazit:
In der eingangs referenzierten Veröffentlichung hatte ich folgende Schlussfolgerung getroffen:
„Ziehen wir die CO2-Konzentration als Maß für die Luftqualität heran, dann haben wir ein gutes Indiz für die Belastung der Luftqualität durch die Atemluft anwesender Personen und über das Infektionsrisiko von über die entstehenden Aerosole übertragenen Viren.
Ziehen wir die Ergebnisse der breitbandiger messenden MOX-Sensoren als Maß für die Luftqualität heran, dann haben wir ein gutes Indiz für die Belastung der Luftqualität durch unterschiedliche Schadstoffe einschließlich menschlicher Ausdünstungen und Gerüche.
Es kann also durchaus angezeigt sein, CO2– und MOX-Sensoren zu kombinieren und aus deren Messwerten Kriterien für eine bedarfsgerechte Lüftung abzuleiten. Auf diesem Weg kann die Luftqualität mit Sicherheit optimiert werden.“
Die hier dargestellten weitergehenden Untersuchungen mit zusätzlichen Sensoren zeigen die Unterschiede von NDIR- und MOX-Sensoren deutlich auf und bestätigen die getroffene Schlussfolgerung.
Zusätzlich kann am Beispiel der NDIR-Sensoren SCD30 und SCD41 von Sensirion auch die rasante Entwicklung von Sensoren in diesem spannenden Gebiet verfolgt werden.
Beitragsbild © canstockphoto74749549 von vectorwin
Finalisiert 2021-03-07/ck
3 Kommentare zu „Luftqualität mit NDIR- und MOX-Sensoren messen“